BRÜSSEL — Die Europäische Kommission wird in den kommenden drei Monaten eine
Überprüfung des Verbrenner-Aus durchführen. Das teilte sie gegenüber Vertretern
der Autohersteller und Zulieferer am Freitag mit.
Bis Ende des Jahres soll ein Vorschlag zur Änderung des Gesetzes vorgelegt
werden. Allerdings ist noch unklar, was genau an der Verordnung geändert wird,
die faktisch ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 darstellt,
sagten mehrere Brancheninsider gegenüber POLITICO nach einem strategischen
Dialog zwischen dem Automobilsektor und Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen.
„Mein Eindruck ist, dass sie am Ziel festhalten will, aber alternative Wege
finden möchte, um die 100-Prozent-Ziele einzuhalten“, sagte William Todts,
Geschäftsführer der Umwelt-NGO Transport & Environment, der an dem Treffen
teilnahm.
Die Industrie und ihre politischen Unterstützer drängen seit Monaten darauf, die
Gesetzgebung abzuschwächen, um die Verwendung des Verbrennungsmotors weit über
2035 zu ermöglichen – unter anderem durch Ausnahmen für Hybride oder alternative
Kraftstoffe.
Von der Leyen überraschte die Branche am Mittwoch, als sie in ihrer Rede zur
Lage der Union eine Initiative für „kleine, erschwingliche Autos“ ankündigte,
die sich auf die Entwicklung von in Europa hergestellten Elektroautos für
preisbewusste Verbraucher konzentrieren soll.
In einem Papier, das den Teilnehmern vor dem strategischen Autodialog zugesandt
und von POLITICO eingesehen wurde, ging von der Leyen dem Thema Emissionen aus
dem Weg und versprach stattdessen einen Vorschlag zur Elektrifizierung von
Firmenflotten. Am Freitag wurde jedoch laut Gesprächskennern keine solche
Initiative diskutiert.
Die Tagesordnung verärgerte die Teilnehmer, insbesondere die deutschen
Autobauer, die am stärksten für eine Änderung des 2035-Gesetzes lobbyiert haben.
Einige stellten die Sinnhaftigkeit der Teilnahme an den Dialogen grundsätzlich
infrage.
Von der Leyen hatte das erste derartige Treffen zu Jahresbeginn veranstaltet,
das im März in den „Automotive Action Plan“ mündete. Dieser Plan gewährte der
Industrie zwar gewisse Erleichterungen bei den Emissionszielen für dieses Jahr,
verschob jedoch jede Entscheidung über die Regelung ab 2035 auf später.
Einige Branchenvertreter zweifelten vor dem Treffen am Freitag am Sinn des
Formats, da es bislang keine „Bewegung oder Hinweise auf Anpassungen“ gegeben
habe, sagte eine Quelle unter der Bedingung der Anonymität.
„Dies war vielleicht die letzte Chance, und offenbar hat auch die Kommission das
so verstanden“, fügte die Quelle hinzu, wenngleich die Sitzung konstruktiv
gewesen sei.
Abgesehen von der Arbeit an der 2035-Regelung kündigte von der Leyen nach dem
Treffen die Einrichtung von zwei Arbeitsgruppen unter ihrer Leitung an.
Die erste soll sich auf die Initiative für kleine Elektroautos konzentrieren.
Die Kommission möchte, dass ein solcher Vorstoß auch local content rules
einschließt – die europäische Produzenten bevorzugen würde.
Die Idee wurde von den Teilnehmern überwiegend positiv aufgenommen. Allerdings
dürfe man diese Regeln nicht zu starr einsetzen.
„Es kann keine europäische Insel geben“, sagte ein Branchenvertreter.
Die zweite Arbeitsgruppe soll definieren, was „Technologieneutralität“ in der
Praxis bedeutet. In der Branche wird der Begriff oft verwendet, um mehr
Flexibilität in der 2035-Gesetzgebung zu fordern – etwa durch den Einsatz
alternativer Kraftstoffe wie E-Fuels oder Biokraftstoffe.
Autohersteller betonen, diese Kraftstoffe seien sauberer als Benzin und Diesel.
Kritiker halten dagegen, dass sie nicht so umweltfreundlich seien wie Batterien
und nicht in ausreichender Menge produziert werden könnten, um eine realistische
Lösung für Pkw darzustellen.