Tag - Zölle

COP 30: Was der Kanzler in Belém erreichen will
Listen on * Spotify * Apple Music * Amazon Music Ein Kanzler im Kurztrip auf Langstrecke für den Klimaschutz. Friedrich Merz fliegt zur Klimakonferenz nach Belém in Brasilien und bleibt dort nur wenige Stunden. Mit an Bord: eine Agenda zwischen Industriepolitik, Technologieoffenheit und der Frage, ob Deutschland beim Klima überhaupt noch als Vorbild gilt. Gordon Repinski begleitet den Kanzler und ordnet die vorher Reise ein. Zurück in Berlin: Da tagt vorher der Kanzlerreise der Stahlgipfel im Kanzleramt. Tom Schmidtgen vom POLITICO-Newsletter Industrie und Handel erklärt, woran die Stahlbranche wirklich krankt, warum Zölle gegen Billigimporte drohen und weshalb selbst der Industriestrompreis nicht hilft. Im 200-Sekunden-Interview spricht Ilse Aigner, Präsidentin des Bayerischen Landtags, über den Verdacht, dass die AfD mit parlamentarischen Anfragen sensible Daten zur kritischen Infrastruktur abgreift. Sie fordert strengere Regeln und ein entschiedenes Vorgehen gegen mögliche Spionage. Zum Schluss nimmt euch Gordon mit zum Launch-Event des Newsletters Industrie und Handel. Das Berlin Playbook als Podcast gibt es jeden Morgen ab 5 Uhr. Gordon Repinski und das POLITICO-Team liefern Politik zum Hören – kompakt, international, hintergründig. Für alle Hauptstadt-Profis: Der Berlin Playbook-Newsletter bietet jeden Morgen die wichtigsten Themen und Einordnungen. Jetzt kostenlos abonnieren. Mehr von Host und POLITICO Executive Editor Gordon Repinski: Instagram: @gordon.repinski | X: @GordonRepinski.
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Der Mindestlohn droht politischer Sprengstoff zu werden
Was Deutschlands neue Rolle im Welthandel bedeutet – verständlich, relevant, auf den Punkt. Von TOM SCHMIDTGEN Mit LAURA HÜLSEMANN und ROMANUS OTTE Im Browser anzeigen oder hier anhören. TOP-THEMEN — Drei Szenarien, wie die Mindestlohnkommission entscheiden kann — und nur eine sorgt für Frieden in der Koalition. — Die SPD will für einen Förderbescheid ein Aufsichtsratsmandat, um bei kriselnden Stahlkonzernen mitzureden. — Merz zeigt sich nach dem EU-Gipfel skeptisch mit Blick auf die US-Zölle — und optimistisch bezüglich Mercosur. Guten Morgen vom Team Industrie und Handel —  die Entscheidung der Mindestlohnkommission wird die Stimmung auf dem SPD-Parteitag prägen. Romanus Otte wird vor Ort sein. Sprechen Sie ihn gern an.  Senden Sie Tipps an rotte@politico.eu, tschmidtgen@politico.eu, lhulsemann@politico.eu, tmumme@politico.eu und jkloeckner@politico.eu. Oder folgen Sie uns auf X: @TommesFrittes, @HulsemannLaura, @ThorstenMumme & @herrkloeckner THEMA DES TAGES SHOWDOWN UM 15 EURO: Heute soll die Mindestlohnkommission ihre heikle Empfehlung vorlegen. Die Bundespressekonferenz zog den Termin mit Steffen Kampeter (Arbeitgeber), Stefan Körzell (DGB) und Kommissions-Chefin Christiane Schönefeld auf 10 Uhr vor. Pikantes Timing: Am Mittag beginnt der SPD-Parteitag — mit einer Rede von DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Die SPD will eine Erhöhung auf 15 Euro ab kommendem Jahr. „Für die SPD ist das eines der wichtigsten Themen“, sagte Sarah Philipp, Co-Chefin der NRW-SPD meinen Kollegen Laura Hülsemann und Jürgen Klöckner. Welche Möglichkeiten liegen auf dem Tisch? Szenario 1: Die Kommission empfiehlt die Anhebung auf 15 Euro. Dann wäre Frieden. Doch das gilt als wenig wahrscheinlich. Die Arbeitgeber halten die Erhöhung um 17 Prozent für nicht verkraftbar. Brandbrief Ost: Gestern warnten ostdeutsche Wirtschaftsverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme vor den Folgen (hier). „Es darf keine weitere Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns geben, solange dieser der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes vorauseilt“, heißt es darin. Szenario 2: Die Kommission spielt auf Zeit. Vor allem den Arbeitgebern wäre es recht, das Ergebnis erst nach dem SPD-Parteitag zu verkünden, hört Romanus Otte. Die Leerstelle würde beim Parteitag für Diskussionen sorgen — aber nicht für Krach auf offener Parteitagsbühne.  Szenario 3: Die Kommission bleibt mit ihrer Empfehlung unter 15 Euro. Zuletzt wurde mehrfach eine Zahl von 14,60 Euro kolportiert.  Dann hat Lars Klingbeil ein Problem. Er will als SPD-Chef wiedergewählt werden. Das könnte dann daran geknüpft werden, ihn per Parteitagsbeschluss darauf zu verpflichten.  Notfalls per Gesetz: „Ich halte es für absolut wichtig, hier einen Pflock einzuschlagen und den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben, notfalls per Gesetz“, sagte Philipp. Sie bringt auf dem Parteitag das Gewicht des größten SPD-Landesverbandes ein.  Spielraum: „Wenn er knapp drunter ist, würden wir kein Gesetzgebungsverfahren da anschließen“, sagte der kommissarische SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf meinem Kollegen Gordon Repinski im Playbook-Podcast. Und immerhin: „Für mich wäre es ein Wert an sich, wenn Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen“, so Klüssendorf. Aber da geht noch mehr: „Beim Parteitag können wir auch SPD-Themen beschließen, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen“, beharrt Philipp. Zeichen setzen: „Die SPD kann nicht wieder erfolgreicher werden, wenn wir nur die To-do-Liste des Koalitionsvertrages abarbeiten“, meint sie. „Da spielen gute Löhne eine wichtige Rolle.“ Union in Habacht: „Wir sollten den Mindestlohn nicht zum Spielball parteipolitischer Debatten im Bundestag machen“, warnt Unions-Fraktionsvize Sepp Müller gegenüber Tom Schmidtgen. Respekt: Er werde die Entscheidung der Kommission in jedem Fall akzeptieren — „ganz gleich, wie sie im Einzelnen ausfällt“. Öffnungsklausel? Für zusätzliche Unruhe sorgt die Forderung des Bauernverbandes, den Mindestlohn für Erntehelfer um 20 Prozent zu senken. Auch weil Agrarminister Alois Rainer (CSU) das wohlwollend prüfen will. Schweizer Käse: „Wenn man beim Mindestlohn Ausnahmen schafft, dann wird das Instrument langfristig überflüssig“, warnt Philipp. STRATEGISCHE STAATSBETEILIGUNGEN STAATLICHER STAHL: Die SPD liebäugelt mit Staatsbeteiligungen an Stahlkonzernen. „Wir müssen bei großer staatlicher Förderung auch über einen vorübergehenden Einstieg des Staates oder eine strategische Beteiligung an Stahlunternehmen reden“, sagte Sarah Philipp, Co-Chefin der NRW-SPD, zu Laura und Jürgen.  Förderung gegen Mitsprache: „NRW unterstützt die Transformation bei Thyssenkrupp mit 700 Millionen Euro, der historisch höchsten Einzelförderung des Landes“, so Philipp. Kritik an schwarz-grüner Landesregierung: „Wenn ich mit Fördermitteln unterstütze, warum bekomme ich eigentlich keinen Sitz im Aufsichtsrat? Warum fordere ich das eigentlich nicht ein?“ „Wenn für Thyssenkrupp zwei Milliarden Euro Fördermittel fließen, kann es nicht sein, dass ein paar Wochen später 11.000 Arbeitsplätze in Duisburg auf dem Spiel stehen“, kritisierte Philipp. Bei Förderbescheiden müsse die Arbeitsplatzsicherung, Standortgarantie, Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft garantiert sein.  Die Stahlkrise wird auch Thema beim SPD-Parteitag am Wochenende in Berlin. „Wir brauchen jetzt unbedingt einen Stahlgipfel“, so Philipp. „Das werden wir beim Parteitag auch einfordern.“  „Grüner Stahl ist zukunftsfähig“, beteuerte Philipp. „Aber dafür brauchen wir auch die Pipeline-Infrastruktur, um den Wasserstoff nach Duisburg zu bringen. Nach ArcelorMittal sei „natürlich die Angst da, dass dies auch bei ThyssenKrupp passieren könnte.“ ZÖLLE I DEEP TALK: Beim gestrigen EU-Gipfel zeigte sich Bundeskanzler Friedrich Merz begeistert über die Detailtiefe der Gespräche, wie Hans von der Burchard in Brüssel hört. Doch bei seinem wichtigsten Anliegen — einem schnellen, wenn auch weniger umfangreichen Handelsabkommen mit den USA — gibt es kaum Fortschritt. Realitätscheck: Im EU-Ratsgebäude musste sich der Kanzler von Kommissionschefin Ursula von der Leyen anhören, dass sich die Trump-Administration ausgerechnet bei seinem größten Anliegen — den sektoriellen Zöllen auf Produkte wie Autos, Maschinenbau oder Pharma — am wenigsten bewegen will. Merz wiederum warnte, genau diese Branchen seien „mit so hohen Zöllen belastet, dass das die Unternehmen wirklich gefährdet“ — deswegen müsse eine Lösung gefunden werden, ASAP: „Lieber jetzt schnell und einfach als langsam und hochkompliziert.“ Pünktlich zum Gipfel legte Washington neue Forderungen vor — darunter Zugeständnisse im landwirtschaftlichen Bereich, die für die EU schwer zu akzeptieren sein dürften. „Wir bereiten uns auf die Möglichkeit vor, dass keine zufriedenstellende Einigung in Reichweite ist,“ warnte von der Leyen. Emmanuel Macron sagte wiederum, dass er mit einem 10-Prozent US-Zoll leben könne. Problematisch ist aus Sicht der EU auch die Argumentation Trumps, die Zölle mit der nationalen Sicherheit zu begründen. In Stellungnahmen an das US-Handelsministerium hat Brüssel wiederholt Bedenken dazu geäußert und auf Vergeltungsmaßnahmen im Falle neuer Zölle hingewiesen, wie unser US-Kollege Doug Palmer nach Einsicht der Unterlagen berichtet. Von der Leyens Gegenmaßnahme: Neue Verbündete suchen — etwa durch eine engere Partnerschaft mit dem indo-pazifischen CPTPP-Handelsverbund, aber auch durch die Schaffung einer Alternative zur paralysierten Welthandelsorganisation. Merz unterstützt das: „Wenn die WTO so funktionsunfähig ist, wie sie es schon seit Jahren ist und offenbar auch bleibt, dann müssen wir, die den freien Handel unverändert für wichtig halten, uns etwas anderes einfallen lassen“, so der Kanzler. Die jüngsten Zahlen zum US-Handelsdefizit dürften Trumps Zoll-Furor nicht bremsen. Es stieg im Mai nämlich um 11 Prozent auf 96,6 Milliarden Dollar, da die Exporte auf den niedrigsten Stand seit Januar sanken, wie aus dem jüngsten Advanced Economic Indicator Report des US-Handelsministeriums vom Donnerstag hervorgeht. KRISENMEETING: Ursula von der Leyen empfängt am kommenden Mittwoch — wenige Tage vor der Deadline im Zollstreit zwischen den USA und der EU — zwölf deutsche Top-CEOs zum Lunch in Brüssel. Das wurde unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner bestätigt. Ungewöhnlich: Normalerweise empfängt von der Leyen im Berlaymont außerhalb von Dialog-Formaten der Kommission keine Firmenchefs. Türöffner war in diesem Fall Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), der bei dem Treffen in Brüssel dabei sein wird. Die Agenda: Bei dem Treffen dürfte es, wie zu hören ist, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gehen, um Industriepolitik und um die Zollfrage. Die Gästeliste: Leonard Birnbaum (E.ON), Carsten Knobel (Henkel), Christian Kullmann (Evonik), Michael Lewis (Uniper), Miguel Lopez (Thyssenkrupp), Tobias Meyer (DHL), Armin Papperger (Rheinmetall), Juan Santamaria Cases (Hochtief), Lionel Souque (REWE), Carsten Spohr, (Lufthansa), Markus Steilemann (Covestro), Mathias Zachert (Lanxess), Arndt Kirchhoff (Unternehmer.NRW). KANZLER-OPTIMISMUS ZU MERCOSUR: Schon Anfang nächster Woche soll der Südamerika-Deal den EU-Staaten zur Ratifizierung vorgelegt werden, sagte Merz am gestrigen späten Abend. Gleich zweimal sprach der Kanzler sprach dazu mit Emmanuel Macron, dem größten Skeptiker. „Mein Eindruck war, … dass da eine große Bereitschaft besteht, das jetzt auf den Weg zu bringen,“ so Merz.  ZÖLLE II LONDON CALLING: Großbritannien denkt darüber nach, dem europäischen Zollabkommen beizutreten. Die Regierung will Unternehmen zum Nutzen befragen. Damit ließen sich Vorschriften für internationale Lieferketten vereinfachen. Das berichtet mein Kollege Jon Stone.  Konkret geht es um das Pan-Europa-Mittelmeer-Zollabkommen (PEM), dessen revidierte Fassung am 1. Januar dieses Jahres in Kraft trat. In der gestern veröffentlichten Handelsstrategie der britischen Regierung heißt es, der Beitritt zum PEM würde „die Flexibilität für britische Exporteure erhöhen, wo sie ihre Vorleistungen beziehen“. Während die europäischen Staats- und Regierungschefs beim Abendessen darüber stritten, wie man am besten ein Handelsabkommen mit Trump abschließen könne, äußerte sich der britische Handelsminister zuversichtlich, das amerikanisch-britische Abkommen verbessern zu können. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir bei den Gegenzöllen Fortschritte erzielen können“, antwortete Jonathan Reynolds auf eine Frage meines Kollegen Graham Lanktree in London. INFRASTRUKTUR SERVUS SCHNIEDER: Die Verkehrsminister treffen sich heute zu einer Sondersitzung in der Bayerischen Vertretung in Berlin, denn die Länder wollen wissen, wer die Kosten der Infrastruktursanierung zahlt.  „Es gibt einen enormen Nachholbedarf bei der Sanierung der Infrastruktur“, sagte der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter, der auch den Vorsitz der Konferenz innehat, zu Laura.  Ein Großteil der 4.000 maroden Brücken in Deutschland will Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder bis 2032 sanieren. Im Sondervermögen Infrastruktur sind dafür in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro vorhergesehen, erst danach mehr.  6.000 Brücken bräuchten einen Ersatzbau, so einer Studie des Verbands T&E. Die Kosten belaufen sich auf 100 Milliarden Euro.  Zwar begrüßt Bernreiter das Sondervermögen Infrastruktur, aber dies erlaube „nicht jede Brücke gleichzeitig oder das gesamte Bahnnetz auf einmal [zu] sanieren“. Stattdessen müsse man den Fokus auf die Renovierung und Sanierung der Bahnstrecken setzen — nicht auf den Neubau.  BAUBESCHLEUNIGUNG FALSCHES GESETZ IM KABINETT: Der Windbau-Turbo, der vergangene Woche durchs Kabinett ging, war eine veraltete Version. Das erfuhren Jasper Bennink und Tom aus dem Bundestag. Im Vorfeld gingen zwischen dem Umwelt- und Wirtschaftsministerium und der Koalition mehrere Versionen des Entwurfs hin und her. Die Koalitionäre wollten Paragraf 16b im Bundes-Immissionsschutzgesetz anders formuliert sehen, als er jetzt vom Kabinett verabschiedet wurde.  Im Paragrafen geht es darum, dass nur die Bundeswehr und Luftverkehrsbehörden Einspruch gegen Änderungen bei bereits genehmigten Windrädern erheben dürfen. Die Koalition will, dass nach einer bestimmten Frist die Genehmigungsfiktion gilt. Dieser Satz fehlt im Gesetz. Kein Problem, heißt es aus der Koalition. Dies werde man mit Änderungsanträgen im parlamentarischen Verfahren wieder zurechtbiegen.  GREEN CLAIMS SAG EINFACH NEIN: Der VDA kritisiert die geplante Green-Claims-Richtlinie als „Über- und Mehrfachregulierung“. Die Richtlinie belaste vor allem kleine Unternehmen, „ohne dass es einen erkennbaren praktischen Nutzen für die Kaufentscheidung der Verbraucher gäbe.“ Das berichtet Romanus.  Die Bundesregierung solle sich für die komplette Streichung einsetzen. „Es gibt in der EU bereits einen bestehenden Rechtsrahmen, um irreführende Werbung effektiv zu verhindern“, teilt der Verband mit. KONJUNKTUR HOFFNUNG: Die Deutsche Bank hat ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr auf 0,5 Prozent angehoben. Das geht aus einer neuen Analyse von Deutsche Bank Research hervor (hier).  Das ist die optimistischste Prognose unter den maßgeblichen Ökonomen, deren Konsensus bei rund 0,3 Prozent Wachstum liegt.  Momentum: Der Impuls der Ausgabenprogramme des Staates kann demnach stärker ausfallen als bisher angenommen. 2026 könne das Wachstum auf 2,0 Prozent anziehen.  HEUTE WICHTIG — WOHNEN: Um 9:40 Uhr spricht Bundesbauministerin Verena Hubertz auf dem Deutschen Mietertag in Rostock.  — FRAGEN: Um 11:30 Uhr findet die Regierungspressekonferenz statt. — NACHBAR: Um 12 Uhr empfängt Friedrich Merz seinen österreichischen Amtskollegen Christian Stocker mit militärischen Ehren.  Das war Industrie und Handel — das Wirtschaftsbriefing von POLITICO. Vielen Dank, dass Sie uns lesen und abonnieren. Bis zur nächsten Ausgabe!
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Industrie & Handel
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Industriesubventionen
Merz und Reiche wollen Brüssel die Wirtschaftswende aufdrücken
Was Deutschlands neue Rolle im Welthandel bedeutet – verständlich, relevant, auf den Punkt. Von TOM SCHMIDTGEN Mit LAURA HÜLSEMANN und ROMANUS OTTE Im Browser anzeigen oder hier anhören. — Kanzler und Wirtschaftsministerin drängen in der EU auf eine wirtschaftsfreundliche Linie. Oft mit Erfolg, wie Romanus Otte analysiert. — Die Sorge vor einem Scheitern der Zoll-Verhandlungen wächst. Fraglich ist, ob Brüssel und Berlin dasselbe Ziel haben.   — Die CDU/CSU-Fraktion hat Eckpunkte für Anreize gegen den Fachkräftemangel beschlossen, die POLITICO vorliegen. Guten Morgen und willkommen bei Industrie & Handel. Heute gilt: Nach dem Nato-Gipfel ist vor dem EU-Gipfel. Senden Sie Tipps an rotte@politico.eu, tschmidtgen@politico.eu, lhulsemann@politico.eu, tmumme@politico.eu und jkloeckner@politico.eu. Oder folgen Sie uns auf X: @TommesFrittes, @HulsemannLaura, @ThorstenMumme & @herrkloeckner THEMA DES TAGES DRUCK, DRUCK, DRUCK: Friedrich Merz reist heute erstmals als Kanzler zum EU-Gipfel. Neben den Themen Ukraine, Migration und Zölle (unten mehr) hat Merz in Brüssel eine besondere Mission. Er will die Wirtschaftswende à la Deutschland in die EU bringen, hören POLITICO-Kolleginnen und Kollegen in vielen Gesprächen in Berlin und Brüssel.  „Deutschland ist zurück“, lautet Merz’ Mantra. In der EU hat das zwei Folgen. Die schwarz-rote-Bundesregierung dreht die Wirtschaftspolitik auf rechts. Und Merz macht den Anspruch deutlich, diese Linie auch in Europa durchzusetzen. Neue Inhalte, neuer Stil: Deutlich wurde das zuerst bei der Lockerung der Lieferkettenrichtlinie sowie am Streit um die geplante Richtlinie gegen Greenwashing in der Werbung. Die Green-Claims-Richtlinie wurde auch durch Druck aus Deutschland zur Kampfzone zwischen Parlament und Kommission (mehr hier). Erst nein: Am Freitag hatte es noch geheißen, die Richtlinie werde zurückgezogen. Dann vielleicht: Gestern stellte ein EU-Beamter, der Kommissionschefin Ursula von der Leyen nahesteht, gegenüber meinen Kollegen Marianne Gros und Karl Mathiesen klar: „Zu keinem Zeitpunkt hat es einen Rückzieher bei der Verpflichtung zu den Green Claims gegeben.“   Merz ficht den Streit nicht an. Unterstützt wird er von der EVP-Fraktion. Deren Chef Manfred Weber nannte die Debatte um die Green-Claims-Absage im Interview mit meinen Kollegen Oliver Noyan, Rasmus Buchsteiner und Hans von der Burchard „grotesk“ (mehr hier). Omnibus? Güterzug! Merz und Wirtschaftsministerin Reiche verweisen auf mehr als 1000 Rechtsakte der EU. Um sie zu verschlanken, brauche es keinen Omnibus, sagt Reiche, sondern einen australischen Eisenerz-Güterzug. Die längsten haben 655 Waggons.  ‚Ich will alles.’ In Brüssel werde Merz heute seine Themen Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau pushen, erfuhr meine Kollegin Nette Nöstlinger aus Regierungskreisen in Berlin.  BEISPIEL INDUSTRIESTROMPREIS: Bei ihrem Amtsantritt hatte Reiche noch gewarnt, für die geplanten Subventionen für Strompreise und neue Reserve-Gaskraftwerke müsse sie in Brüssel noch „dicke Bretter“ bohren.   50 Tage später ist das Brett durch. Brüssel macht den Weg für den Industriestrompreis frei. Die Kommission veränderte den Beihilferahmen so, dass Strompreis-Subventionen für besonders energieintensive Unternehmen möglich werden.  Was erlaubt wird: Subventionen dürfen den Marktpreis um bis zu 50 Prozent senken — bis zur Hälfte des Stromverbrauchs einer Firma und nicht unter 50 Euro je  Megawattstunde.  Befristung: Die Beihilfen dürfen maximal drei Jahre pro Unternehmen gewährt werden und müssen spätestens Ende 2030 auslaufen.  Klima-Investitionen: Unternehmen müssen die Hälfte der  Beihilfen innerhalb von vier Jahren in die Senkung ihrer CO2-Emissionen investieren. Förderfähig sind erneuerbare Energien, Speicher, CO2-armer Wasserstoff und unter Umständen auch Gas und Atomkraft. Reiche begrüßte den Schritt. Offiziell zumindest. In einer Fragestunde im Bundestag kritisierte sie aber die Befristung und Auflagen: „Da sind wir noch nicht durch.“ ZÖLLE ZOLL-ZWEIFEL: Christian Forwick, Abteilungsleiter Außenwirtschaft im Wirtschaftsministerium, äußerte Zweifel, ob ein Abkommen vor Ablauf der Trump’schen Frist realisierbar ist.  „Wir sehen immer noch eine Menge Turbulenzen. Ich bin nicht sicher, ob der 9. Juli, was auch immer dabei herauskommt, der richtige Termin ist“, sagte Forwick bei einer Diskussion des Aspen Institute, die mein Kollege Jürgen Klöckner moderierte. Hoffnung: „Aber ich bin mir sicher, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen“, sagte Forwick. Er hatte Reiche vergangene Woche nach Washington begleitet und US-Finanzminister Scott Bessent und den US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer getroffen. 10-Prozent-Frage: Die Regierung könne mit einem niedrigen Basiszoll leben —  wenn er Berechenbarkeit bringe. „Wenn wir Zölle alle paar Wochen ändern, ist es für Unternehmen nicht möglich, die notwendige Planung vorzunehmen“, sagte er. Aber 25 Prozent? Das sei ein No-Go. „Ich denke zum Beispiel an den Automobilsektor — da gibt es einen sehr hohen Zoll von 25 Prozent“, sagte Forwick. Das wäre „wirklich das Ende einiger Handelsbeziehungen“. Sektoren wie Pharma, Halbleiter und Flugzeuge seien wegen ihrer starken Verflechtungen besonders anfällig. NUN LIEFERT MAL: Beim EU-Gipfel in Brüssel erwarten die Staats- und Regierungschefs heute ein Update der EU-Exekutive zu den Gesprächen mit der Trump-Administration.  Merz will auf schnelle, schlanke Abkommen zu den größten Wirtschaftszweigen drängen. Ihn treibt die Sorge um, dass Brüssel einen umfassenden Handelsrahmen ausarbeiten könnte, bei dem die wichtigsten deutschen Industriebranchen schlechter wegkommen. Die Beibehaltung der gegenseitigen Zölle „ist nicht das Mandat, das wir der Europäischen Kommission erteilt haben“, sagte ein EU-Diplomat unseren Kollegen Camille Gijs and Jordyn Dahl in Brüssel.  Mehr zum Stand der Zoll-Debatte und den deutschen Sorgen finden Sie hier. FACHKRÄFTEMANGEL AN DIE ARBEIT: Die CDU/CSU-Fraktion hat erste Vorschläge zu den im Koalitionsvertrag vereinbarten Arbeitsanreizen gegen den Fachkräftemangel beschlossen. Die Eckpunkte liegen meiner Kollegin Pauline von Pezold vor. 1. Aktivrente:  „Wir wollen Arbeiten im Alter attraktiver machen“, heißt es zur Aktivrente (hier). „Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, wird sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei erhalten.“  Wichtig: Der „neue Freibetrag soll zusätzlich zum Grundfreibetrag gelten“. Die SPD wollte bisher lediglich den Grundfreibetrag auf 2000 Euro aufzustocken.  Aktivrentner sollen keine Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zahlen. Damit sie weiter für ihren Arbeitgeber arbeiten können, soll für sie das Vorbeschäftigungsverbot für befristete Verträge aufgehoben werden. 2. Überstunden: Zuschläge für Überstunden jenseits der Vollzeitarbeit sollen steuerfrei werden (hier). Als Vollzeit sollen für tarifliche Regelungen mindestens 34 Stunden und für nicht tariflich festgelegte Arbeitszeiten 40 Stunden pro Woche gelten. 3. Aufstockung von Teilzeit: „Wenn Arbeitgeber eine Prämie zur Ausweitung der Arbeitszeit zahlen, werden wir diese Prämie steuerlich begünstigen“, heißt es in dem Papier (hier). Steuerfrei sind für eine dauerhafte Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit gewährte Prämien bis maximal 225 Euro/Stunde und insgesamt 4.500 Euro. ARBEITSKOSTEN DER NÄCHSTE SCHRITT BEIM RENTENPAKET: Arbeitsministerin Bärbel Bas konkretisiert die Rentenpläne der Regierung: Sie will die Mütterrente ausweiten, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent festschreiben — und dennoch sollen die Beiträge in dieser Wahlperiode nicht stärker steigen als sie es ohnehin getan hätten.  Die Details: Rasmus Buchsteiner hat den Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums eingesehen, der nun im Kabinett abgestimmt werden soll. Demnach soll die Mütterrente für Frauen mit vor 1992 geborenen Kindern erst 2028 starten. Die Haltelinie für das Rentenniveau würde erstmals 2029 greifen.  Die Finanzierung: Die Kosten von rund 14 Milliarden Euro bis Ende 2029 übernimmt der Bund aus Steuergeld. Der Beitragssatz steigt laut Gesetzentwurf von heute 18,6 Prozent auf 20,0 Prozent im Jahr 2028. AUTOINDUSTRIE NICHT MEHR GELADEN LADEN: Die technischen Anforderungen an öffentlich zugänglichen Ladepunkten für E-Autos sollen vereinheitlicht werden. Meinem Kollegen Lars Petersen liegt der Referentenentwurf der überarbeiteten Ladesäulenverordnung aus dem BMWE vor (hier).  Einmal hin, alles drin: Die Regelung soll den Wildwuchs bei Steckerformaten, digitaler Vernetzung und Authentifizierung eindämmen und gleichzeitig für weniger Bürokratie bei den Betreibern sorgen. Sie sollen Nachweise über technische Standards nur noch auf Anforderung vorlegen müssen.  Auch die Meldeverfahren für In- und Außerbetriebnahme sowie Betreiberwechsel sollen leichter werden. Die Bundesnetzagentur erhält dafür erweiterte Kontroll- und Sanktionsbefugnisse.  Zeitplan: Deutschland passt damit sein Recht an die europäische AFIR-Verordnung an. Bis zum 4. Juli ist der Entwurf in der Verbändeanhörung.  MERCOSUR VEREINT IM PROTEST: Frankreich und Polen haben gemeinsam Kritik am ausgehandelten Mercosur-Abkommen geübt. Die Agrarminister warnten, das Abkommen könne Proteste ihrer Landwirte auslösen, da es den Markt mit billigen Importen aus Südamerika fluten würde.  Sie werfen der EU-Kommission vor, heimlich verhandelt und die Interessen der Landwirte missachtet zu haben. Brüssel schlägt zwar ein Zusatzprotokoll und einen Ausgleichsfonds vor, doch das überzeugt Paris und Warschau nicht.  Voraussichtlich Ende Juni oder Anfang Juli will die EU-Kommission den Mitgliedstaaten den finalen Text des Abkommens vorlegen. ETS2 WEITERE ENTLASTUNGEN: 16 der 27 EU-Länder wollen die bevorstehende CO₂-Bepreisung für Autos und Heizungen ändern. Das geht aus einem Dokument hervor, das unserer Kollegin Louise Guillot vorliegt (hier).  Deutschland unterstützt den Vorstoß. An dem Arbeitspapier schrieb auch die Fachebene aus Berlin mit. Mit großen Preissprüngen sei niemand geholfen — auch nicht dem Klima, hört Laura Hülsemann aus dem Umweltministerium.  Strg + Entf: Gestern hat Deutschland erstmals Zertifikate gelöscht. Insgesamt wurden CO2-Zertifikate im Wert von 514.000 Tonnen vom Markt genommen. Grund ist der Kohleausstieg und die dadurch wegfallenden Emissionen. Durch die Löschung wird der sogenannte „Wasserbetteffekt“ vermieden und es dürfen nicht mehr an anderer Stelle Klimagase ausgestoßen werden.  Mehr dazu hier. ANSIEDLUNGSPOLITIK SECHS AUF EINEN STREICH: Sechs Konsortien aus Deutschland haben sich bislang für den Bau einer AI Gigafactory beworben. Die Zahl nannte das Forschungsministerium. „Als Bundesregierung haben wir allen deutschen Bewerbern zugesichert, ihre Interessensbekundung gegenüber der EU-Kommission zu unterstützen“, sagte eine Sprecherin zu Tom Schmidtgen auf Nachfrage.  Kanzler Merz hatte am Montag beim Tag der Industrie gesagt, dass Deutschland „vielleicht eine, vielleicht zwei, sogar drei große Gigafactories“ bauen könne.   Fünf AI Gigafactories will die EU ausschreiben und fördern. Sie bestehen aus mehr als 100.000 speziellen Chips und sind für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz essenziell. Die Frist lief am 20. Juni aus.  Druck aus Dresden: Sachsen fordert, bei den Chips europäische Hersteller zu priorisieren. Es müsse ein „Anliegen sein, auch europäische Technologien“ zu berücksichtigen, sagte ein Regierungssprecher zu Tom. Dafür solle „die öffentliche Beschaffung als strategisches Instrument genutzt werden“. Sachsen hat mit dem „Silicon Saxony“ die größte Halbleiterproduktion in Europa.  HABECK KAM NICHT: Die Nachricht, über die POLITICO schon am Montag berichtet hatte, erreichte Robert Habeck offenbar erst gestern: Er sollte im Haushaltsausschuss zur geplatzten  Northvolt-Förderung aussagen. Party statt Northvolt: Offenbar wurde vergessen, Habeck rechtzeitig vorzuladen, berichtet der Spiegel. Das Sekretariat habe nur die Tagesordnung aktualisiert, ihm aber erst am Mittwoch kurz vor 11 Uhr geschrieben. Die Folge: Er kam nicht. Der Tagesordnungspunkt wurde wegen einer Ausschuss-Grillparty am Abend fallen gelassen. Union sauer: „Das ist ein verantwortungsloses Machtspiel“, sagte Unions-Fraktionsvize Sepp Müller zu Tom. Habeck gehe es nicht „um wirtschaftliche Sorgfalt, nicht um parlamentarische Kontrolle“. Nachfolgerin Reiche sagte in ihrer Regierungsbefragung, Habecks Entscheidung für Northvolt sei mit guter Absicht getroffen worden, habe sich aber als „fehlerhaft“ erwiesen.   HEUTE WICHTIG — WIRTSCHAFTSWENDE: Um 9 Uhr berät und beschließt der Bundestag den Investitions-Booster. Hier geht’s zur Tagesordnung. — JAPAN: Um 13.30 Uhr tauscht sich Forschungsministerin Dorothee Bär mit dem japanischen Minister für wirtschaftliche Sicherheit, Minoru Kiuchi, aus.  — SPD: Um 14:15 Uhr nimmt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth an einer Paneldiskussion zum Clean Industrial Deal beim Wirtschaftsforum der SPD teil. Das war Industrie und Handel — das Wirtschaftsbriefing von POLITICO. Vielen Dank, dass Sie uns lesen und abonnieren. Bis zur nächsten Ausgabe!
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European Green Deal
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